Ferdinand I. von Bulgarien
Jugendzeit

 

Von Kgl. bulgar. Wirkl. Geh. Rat von Fleischmann
Auszug

König Ferdinand,  erblickte in Wien, im Palais Coburg, auf der Seilerstätte, das Licht der Welt als fünftes und letztes Kind des Prinzen August von Sachsen-Coburg-Gotha und dessen Gemahlin Klementine, Prinzessin von Orleans. Der Vater starb schon im Alter von 63 Jahren, die Mutter aber erst im 90. Lebensjahre. Von Seiten seiner Eltern erhielt Prinz Ferdinand die denkbar sorgfältigste Erziehung und Pflege. Seine Jugendjahre verbrachte er in Wien, während des Sommers weilte er mit seinen Eltern auf den großen Gütern seines Vaters in Österreich und Ungarn. Dazwischen wurden häufige Reisen nach Frankreich, England und dem Orient unternommen, wohin auch der junge Prinz schon mitreiste. Seine geistigen Fähigkeiten waren schon frühzeitig erwacht und wurden durch die Reisen noch mehr gestärkt, so das er sich auch später aller jener gewonnenen Eindrücke lebhaft erinnerte. Mit fünfeinhalb Jahren erhielt er den Schreiber dieser Zeilen, einen Bayern, der heulte noch in seinem Dienste als Privatsekretär steht und dem er rührende Liebe bewahrt hat, zum Erzieher. 
 DieKonstitution des Prinzen war in der frühesten Jugend von zarter Natur, kräftigte sich aber mit den Jahren immer mehr. Sein Geist aber war schon frühzeitig sehr lebhaft, er interessierte er sich für alles, was um ihn vorging. Besondere Liebe und Hingebung hatte er für einzelne Unterrichtsfächer, so für Geschichte mit ihren Nebenfächern Genealogie und Geographie, ferner füßr Naturwissenschaften und neuere Sprachen. Außerordentlich gründliche Kenntnisse eignete er sich in den Naturwissenschaften an, so da
s er selbst Fachleute und Männer der Wissenschaft oft in Verwunderung setzte. Es war eben nicht bloß Liebhaberei bei diesem Studium, sondern ernste, wissenschaftliche Arbeit. Angeregt  zu diesen Studien waren  der Aufenthalt auf dem Lande, im Gebirge, auf Reisen, der Besuch der botanischen und zoologischen Gärten, Museen usw.

Wie freute er sich, wenn er im Frühlinge die ersten Blumen, Schmetterlinge oder eine seltene Pflanze, eine Orchidee oder ein längst gesuchtes Farnkraut auf luftiger Höhe an einer Felswand entdeckte! Diese Pflanzen wurden dann sorgfältig ausgegraben, zu Hause gereinigt und aufmerksam gepflegt. Stunden gingen darüber hin, bis alles in Ordnung war. Da kannte er keine Ermüdung. Bis nicht die letzte Blüte vertrocknet und abgefallen war, durfte keine Blume aus dem Glase entfernt werden. Und dann wurden erst noch die verwelkten Pflanzen samt der Wurzel - wenn der Prinz in der Ferne war - sorgfältig in Kisten verpackt, die nach dem Garten am Palais Coburg in Wien wanderten, später aber nach Sofia in die Hofgärten, wo diese Reste neu auferstehen und sich weiterentwickeln sollten. Der Hofgärtner in Sofia, ein biederer Tiroler, schüttelte bisweilen den Kopf, wenn er den Inhalt solch einer Kiste bekam. Aber seiner geschulten und sorgsamen Hand glückte meistens das Experiment. Die selbe aufmerksame Behandlung wurde auch den Schmetterlingen und Vögeln zuteil davon zeugt auch das naturwissenschaftliche Hofmuseum in Sofia, in welchen alle Tiere nach ihrer Tötung oder ihrem Absterben präpariert aufgenommen wurden.  Dieses Museum ist das Werk des Königs und verdient wegen seiner Reichhaltigkeit und seltenen Exemplare die höchste Beachtung.

Außer diesem Museum schuf der König auch einen zoologischen Garten, den ersten auf der Balkaninsel, mit vielen verschiedenen Tieren, besonders mit prächtigen und seltenen Vögeln, darunter seltene Arten von Fasanen, die akklimatisiert und in den Auen freigelassen werden. So gibt es bei Philippopel eine große Insel in der Maritza, auf der sich diese buntgefiederten Hühnervögel, wie Gold-, Silber-, Geheiligter Fasan (Fasanus veneratus), in Menge befinden und wie unsere Fasanen gejagt werden. Es ist ein herrlicher Anblick, diese schmucken Vögel im Wald und Gebüsch frei schreiten oder fliegen zu sehen. Obgleich ein solches Unternehmen auf große Schwierigkeiten und Kosten stieß, ließ sich der König davon nicht abschrecken. Seine Ausdauer, verbunden mit einer feinen und scharfen Beobachtungsgabe für die notwendigen Bedingungen dieser Tiere, brachte glücklichen Erfolg.

Aber auch die anderen in der Jugend gepflegten Lieblingswissenschaften fand des Königs reges Interesse. Kommt z. B. bei Tisch ein geschichtliches Thema zur Sprache, so verlängert sich als dann die Tischzeit um ein beträchtliches. Der König vergißt das Essen und Trinken und vertieft sich gründlich in das Thema, spricht selbst darüber. Sein ausgezeichnetes Gedächtnis unterstützt ihn dabei aufs Beste. Der Haus-Hofmeister steht dann mit seinem nächsten Gerichte vor der Tür und erwartet das Zeichen zum Weiterservieren; mittlerweile sieht er verzweifelnd, wie sein "Auflauf" von Minute zu Minute eine bedenklichere Form annimmt und schließlich gar nicht mehr hoffähig ist.

Wenn ich mit dieser kurzen Darlegung auch in die spätere Zeit des Königs hineingeraten bin, so wollte ich damit nur andeuten, wie ernst und umfassend der König  die Wissenschaften behandelt, womit er oft große Gelehrte überrascht.

Nach dieser Abschweifung wieder zur Jugendzeit des Prinzen zurückkehrend, sei noch seiner großen Reise gedacht, die er im Alter von 18 Jahren mit seinem Bruder, dem Prinzen August, zu wissenschaftlichem Zwecke nach Brasilien unternahm, heimwärts auch Afrika besuchten wo beide Prinzen Gäste des Sultans von Marokko waren. Von dieser Reise brachte er viele wissenschaftliche Schätze aus der Botanik nach Hause, die in einem zweibändigen, mit herrlichen Abbildungen geschmückten Werke beschreiben sind.

Außer dieser Weltreise machte er auch früher und später große Reisen durch Europa, um seinen Wissensdurst und seine Kenntnisse zu bereichern.

Zweimal wurde er von seinem Onkel, dem Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha, zu diplomatischen Missionen berufen, welcher Aufgabe er sich mit großem Interesse und diplomatischem Talente entledigte.

Sobald der Prinz seine allgemeinen wissenschaftlichen Studien beendet hatte, begann er das Studium der Militärwissenschaften, die von Fachlehrern der k. k. Kadettenschule in Wien erteilt wurden. Nach vorzüglich bestandener Prüfung an dieser Schule wurde ihm die besondere Auszeichnung zuteil. von  Seiner Majestät dem Kaiser von Österreich zu dem glänzenden Resultate beglückwünscht zu werden.

Nun trat der Prinz am 27. April 1881 als Leutnant in das 11. k. k. Husarenregiment ein, zu dessen
Regimentsinhaber er im Jahre 1907 von Seiner Majestät ernannt wurde. Aus Gesundheitsrücksichten ließ er sich später in ein Jägerbataillon versetzen, trat aber, als seine Gesundheit es erlaubte, als Oberleutnant wieder in ein Honved-Husarenregiment ein, wo er bis zu seiner Erwählung zum Fürsten von Bulgarien am 7. Juli 1837  verblieb.